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Entgiftung - Das Zeug muss erst einmal raus!

Was ist passiert?

Als bei mir Anfang letzten Jahres der Weg weder ein noch aus ging, blieb mir im Endeffekt nichts anderes übrig, als mir professionelle Hilfe zu suchen. Ich hatte zunächst einmal versucht, alleine mit dem Trinken aufzuhören, aber nach so vielen Jahren Input, war mir das alleine  schlichtweg nicht möglich. Ein bis zwei Tage habe ich es noch hinbekommen, aber darüber hinaus hat mir das Männchen in meinem Kopf einen Strich durch die Rechnung gemacht.

 Also musste etwas passieren! Ich wollte mich wieder besser fühlen, ich wollte wieder ohne Angstzustände und schlaflose Nächte leben, da ich diesen Zustand kaum mehr ausgehalten habe. Zudem war mein Körper auch mehr und mehr mit der Giftzufuhr überfordert und mein Gesicht hat Bände gesprochen.

"Ich habe mich gefühlt, wie ein Häufchen Elend, das nichts mehr auf die Reihe bekommt."

Mein Papa ist dann mit mir zu seinem Hausarzt gefahren, dem ich die Situation geschildert habe. Das war alles andere als leicht, denn ich musste um Hilfe bitten. Der Hausarzt meinte dann zu mir, dass ich es ohne Entwöhnungsbehandlung nicht alleine schaffen werde. Da fiel mir erst einmal die Kinnlade herunter. Ich dachte mir: 'Jetzt muss ich tatsächlich in eine Klinik. Wie peinlich ist das denn?!' Aber um mich wieder besser zu fühlen, führte kein Weg daran vorbei.

 

Ich rief in der Entgiftungsstation in der Klinik Großschweidnitz an und hatte eine Woche später einen Termin zur Anreise. Mir ging auf Deutsch gesagt der Arsch auf Grundeis.

Cleverer wäre es gewesen nüchtern anzureisen, aber selbst das habe ich nicht geschafft. Also musste ich eine Nacht in der Akutstation verbringen, damit ich wieder auf Null komme. Ich saß in meinem Zimmer und dachte mir nur 'Was habe ich jetzt bitteschön angerichtet?' Aber die Entscheidung war im Nachhinein betrachtet die beste, die ich zu diesem Zeitpunkt treffen konnte.

 

Wie ist das in der Klinik?

Natürlich sah ich dort auch Patienten, die es noch härter getroffen hat, denen ihre Sucht buchstäblich auf der Stirn geschrieben stand. Aber da musste und wollte ich durch. Im Endeffekt habe ich dadurch gesehen, was mit mir und meinem Körper passieren würde, wenn ich so weiter mache, wie bisher und das wollte ich nicht.

 Nach einer Nacht und Null Promille im Blut, wurde ich dann in ein anderes Zimmer mit zwei sehr netten Frauen verlegt. Ich war nicht mehr alleine. Die Angst wurde weniger und ich merkte, dass ich nicht alleine mit meiner Sucht bin, dass es noch anderen Menschen so geht wie mir. Ich schöpfte langsam Mut und Kraft.

 

Nach Absprache mit den Ärzten entschloss ich mich dazu, 21 Tage lang zu bleiben. Das klingt sehr viel, war aber nötig.

 

Kliniken handhaben den Verlauf der Entgiftung sehr unterschiedlich. In Großschweidnitz war der Tag zwar vollgepackt mit Therapieeinheiten, jedoch hatten wir auch genügend Freizeit. Da es eine geschlossene Station war, durften wir erst ab 16 Uhr in das Klinikgelände und dieses auch nicht verlassen um sicher zu gehen, dass wir nicht konsumieren.

 

Zumal wurden auch jegliche Suchtmittel rationiert. Sprich, Kaffee gab es nur zwei Tassen am Tag und Zigaretten nur zu bestimmten Zeiten, damit einer Suchtverlagerung weitestgehend vorgebeugt wird. Mein Ersatzmittel waren Süßigkeiten, obwohl ich zuvor fast nie welche gegessen habe. Und ich nahm an Gewicht zu. Damit muss man rechnen, denn dem Körper fehlt etwas und er sucht sich einen anderen Weg um die Sucht zu stillen.

Zudem bekam ich die ersten Tage Medikamente, um einem epileptischen Anfall vorzubeugen. Dieser tritt wohl gar nicht mal so selten bei einem kalten Entzug auf, welches mir zuvor nicht bewusst war.

 

Was macht man so?

Therapieeinheiten bestanden weitestgehend aus Einzelgesprächen, Ergotherapie, Sport und Gruppentherapie. Zusätzlich hierzu mussten wir jeden morgen zur Visite und haben mit dem Sozialarbeiter unseren weiteren Verlauf nach dem Klinikaufenthalt besprochen. Sehr ungern wird man nach 21 Tagen entlassen, ohne einen Antrag auf eine Langzeittherapie gestellt zu haben.

21 Tage waren schon lang aber ein halbes Jahr in eine Suchtklinik zu gehen schien mir schier unmöglich. Ich musste doch schnell wieder funktionieren, mein Leben auf die Reihe bekommen! Wieder richtig durchstarten und am besten niemandem davon erzählen, dass ich 21 Tage lang hier in dieser Klinik war. Ich wurde eines besseren belehrt!

 

Das alles hat sich sehr ungewohnt angefühlt. Das war alles andere als mein gewohntes Leben und ein schlechtes Gewissen begleitete mich oft. Ich fragte mich:

"Was werden denn jetzt meine Freunde denken?

Was denkt jetzt meine Familie über mich? Und wie soll ich mein Leben alleine wieder in die richtige Bahnen lenken?

 

21 Tage gingen schneller vorüber als gedacht. 21 Tage ohne zu konsumieren. Da war ich erst einmal etwas stolz. Naja, so stolz wie man in dem Moment eben sein kann. Jedoch waren 21 Tage nicht genug. Die Wunde wurde nur angekratzt, jedoch nicht darin gebohrt. Weder wusste ich nach 21 Tagen, warum ich eigentlich konsumiert habe, noch wusste ich, welche Gefühle dahinter stecken und wie ich mein tiefer liegendes Problem eigentlich für mich lösen kann. 21 Tage ohne etwas zu trinken war möglich, aber ca. eine Woche nach Entlassung kam die Ernüchterung: der Suchtdruck! Das Männchen im Kopf, welches auf mich einredete, mich an schrie und mit einem Hammer gegen meine Schädeldecke schlug. Darauf war ich nicht vorbereitet, dafür war mein Werkzeugkasten noch nicht ausgelegt. Da war er, der Rückfall. Unverhofft kommt oft. 'Scheiße!' Dachte ich mir. Viel größeres Problem als zuvor gedacht!

 

Und du Herzchen? Problem schon gelöst??

drawing: me

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Kommentare: 1
  • #1

    Katja (Freitag, 06 August 2021 20:08)

    Und was war danach ? Nach deinem Rückfall ? Mein Mann macht das gerade durch und ich möchte ihn nach dem Aufenthalt gut versorgt wissen und unterstützen …lg