Kinderherz
Ich liebe meine Mama. Ich habe meine Mama immer geliebt. Für mich war meine Mama immer die schönste Frau auf der Welt. Für mich ist meine Mama die schönste Frau auf der Welt. Als Kind habe ich es geliebt, auf ihrem Kissen zu schlafen. Ich habe es geliebt mit ihr zu lachen, mit ihr Blödsinn zu machen. Ich wollte immer so sein wie sie. So schlau, so schön, so kreativ.
Eigentlich hatte ich oberflächlich betrachtet nie Probleme. Ich war gut in der Schule, bin vielen Hobbies nachgegangen. Ein Austauschjahr in den Staaten. Habe studiert, bin danach nach Paris gegangen und hatte Jobs. Nach außen schien immer alles OK. Ich hatte eine schöne Kindheit, mit liebevollen Eltern.
Ich habe viele Jahre nichts gesagt. Ich habe viele Jahre so getan, als wäre alles OK. Ich wollte meine Eltern beschützen. Meine Eltern waren für mich immer meine Helden, die alles wissen und für alles eine Lösung haben. In der Pubertät ist mir dann aufgefallen, dass Eltern auch nur Menschen sind und Fehler machen, mal nicht weiter wissen.
"Es gab eine Zeit, da ging es meinen Eltern nicht gut."
Ich habe meinen Eltern nie einen Vorwurf gemacht. Ich habe meine Eltern immer geliebt und liebe sie immer noch. Daran wird sich auch nie etwas ändern.
Ich hatte immer das tiefe Bedürfnis, meine Mama zu beschützen. Ich wollte, dass es ihr gut geht. Ich wollte nicht, dass sie traurig ist. Wenn sie traurig war, hat es mir das Herz gebrochen. Nur wusste ich nicht, wie ich ihr helfen kann. Ich war hilflos. Ich habe weiterhin funktioniert, aber wenn ich nach Hause kam, war der Klos im Hals wieder da. Dieses Gefühl im Bauch. Unterdrückte Gefühle, von denen ich nicht wusste, wo ich sie rauslassen soll. Ich wollte nicht, dass jemand weiß, wie es mir geht. Ich war immer die starke Vlada, die lustige Vlada. Und an dem Bild sollte nicht gerüttelt werden. Aber der Klos im Hals war da und wurde immer größer.
Bedürfnisse
Ich war hilflos, konnte nichts sagen und habe mich oftmals einsam gefühlt. Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, selbst das Problem zu sein, damit ich ablenken kann von anderen Problemen. Damit ich gesehen werde, wenn auch nur für Momente. Damit vielleicht irgendetwas passiert und ich diesen Klos im Hals los werde. Ich habe aufgehört zu essen. Das war ein Statement, aber alles andere als die Lösung für Probleme. Das habe ich mit der Zeit verstanden.
Wenn ich zu Hause in meinem Zimmer war, zog sich jeden Abend mein Herz zusammen und ich habe gehofft, dass alles wieder gut wird, das irgendwann die Lösung der Probleme vorbei kommt.
Ich habe mir ihr Herz gebrochen und das jahrelang. Das scheint im ersten Moment unverständlich, hatte ich doch mein eigenes. Aber Mutter und Tochter, das ist eben so eine Sache, da schaut man nicht einfach weg und kümmert sich um sich. Ich wusste nicht, was ich machen soll. Ich war wütend und verzweifelt. Oftmals habe ich geschrien und mich gefragt, ob ich die Einzige bin, die sieht, was eigentlich passiert. Ich bin nicht irgendwohin gegangen und habe um Hilfe gebeten. Wo sollte ich denn auch hin? Ich wollte ja schließlich das alles schön ist.
Irgendwann wurde mir alles zu viel.
"Ich wurde zu einer wandelnden Maschine und habe ausgeblendet."
Das Studium kam mir zu gute. Aber am Telefon war alles wieder da. Ich habe einfach mitgemacht. Ich habe mir dann immer gesagt, ich darf nicht so sein, ich darf nicht so werden. Dieses Problem, diese dicke Wolke ist einfach nicht da. Am Bündnis zu meiner Mama, an den Gefühlen, hat sich nie etwas geändert. Gerade deswegen. Gerade deshalb war ich so wütend und habe zeitweilig auch gehasst. Weil ich nicht mehr weiter wusste und das alles nicht haben wollte.
Irgendwann habe ich so sehr abgelehnt, dass es mir die Beine unter dem Boden weggezogen hat. Das war auch ein Statement. Vielleicht auch unter dem Motto: 'Wenn niemand etwas sagt, mache ich einfach mit und mache es noch schlimmer.' So schlimm, dass ich dann das Problem bin. So schlimm, dass ich vor Augen geführt habe, was im schlimmsten Falle passieren kann. Und ich glaube, das hat gesessen. Das war eine sehr makabre Strategie.
Verantwortung
Mit 32 Jahren habe ich verstanden, dass ich ein eigenes Herz habe, auf das ich gut aufpassen muss. Das ich meine eigenen Probleme lösen muss und für manche Herzen manchmal auch gar nicht verantwortlich bin. Das die bessere Lösung ist, glücklich zu sein, weil das vielleicht ansteckend ist.
Ich liebe meine Mama, ich liebe meine Eltern und daran wird sich nie etwas ändern. Mein Statement hat gesessen, hätte aber nicht sein müssen. Reden hat auch hier geholfen. Reden und verstehen, damit man den anderen versteht.
Was ich hiermit sagen möchte, du bist deinen Kindern nie egal. Niemals. Und Kinder brechen sich manchmal das Herz ihrer Eltern. Es ist OK Probleme zu haben, es ist auch OK manchmal nicht weiter zu wissen. Aber auf Kinderherzen muss aufgepasst werden. Die bekommen alles mit und manchmal wählen sie ungünstige Strategien, weil sie Eltern so sehr lieben.
Ein wundervolles Buch, welches ich vor ein paar Wochen gelesen habe ist 'Das Seelenleben des Ungeborenen' von Dr. med. Thomas Verny - Kinder bekommen so viel mehr mit, als wir denken. Keine Werbung, sondern ein Buchtipp an dich.
drawing by me
photo credits: Karim Manja, Anna Kolosyuk // unsplash
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