Harte Drogen
Als ich in der 4. Klasse war, stand ein Polizist in Uniform in unserem Klassenzimmer und hatte ein paar Tütchen dabei, die er vor sich auf einem Tisch ausgebreitet hatte und klärte uns über Drogen auf. Das sollte zur Prävention dienen. Damals habe ich überhaupt nicht verstanden, was ich jemals mit diesem Zeug zu tun haben sollte. Ich bin schließlich ein vernünftiges Mädchen, ich höre auf meine Eltern, strenge mich in der Schule an, habe gute Freunde und mit Drogen und der Polizei überhaupt nichts am Hut. Davor hatte ich viel zu großen Respekt und Leute, die so ein Zeug nehmen, konnte ich gar nicht verstehen - die kannte ich damals auch (noch) nicht.
Das allererste Mal Alkohol habe ich , glaube ich, mit 13 oder 14 Jahren getrunken. Ganz klassisch zur Jugendweihe oder so. Meine Freundinnen und ich dachten uns auch nicht viel dabei und manchmal hing dann einer von uns über der Schüssel. Dumm gelaufen. Die Partys wurden mehr und ich wurde irgendwann 18 und hatte einen Freund (wenn man diese verkorkste Verbindung überhaupt so bezeichnen kann). Der hat ziemlich viel gekifft und ich habe es gehasst. Ich habe nicht verstanden, warum man sich so ein Zeug in die Birne jagt. Nachdem er an der Bong gezogen hat, fand ich ihn immer überaus "assi". Rote Augen und Matschbirne. Was soll der Scheiß? Er wollte mich dann immer dazu drängen, auch einmal zu probieren und meinte zu mir, dass Alkohol viel schlimmer sei. Ich verneinte, denn damit wollte ich nichts zu tun haben. Ich bin schließlich ein vernünftiges Mädchen, ich habe mein Abitur in der Tasche und werde studieren. Mit Drogen habe ich nichts zu tun. Mit Alkohol schon - aber der ist ja harmlos! (dachte ich).
Speed
Da ich die Vorlesungen an der Uni nicht ganz so lustig fand, habe ich mich an den Wochenenden (oder auch mal unter der Woche) mit Studentenpartys abgelenkt. Ich habe in Leipzig studiert, also habe ich auch Studentenclub - technisch alles mitgenommen: TV - Club, Stuk, Moritzbastei aber auch Nachtcafé, Spizz - Keller, Ilses Erika und wie sie nicht alle hießen oder noch immer heißen. Irgendwann wechselte ich dann die Musikrichtung und auch den Bekanntenkreis.
An die erste Line Speed kann ich mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber auf alle Fälle hatte ich einen großen Respekt vor dem Zeug. Meine damalige Bekannte musste mir hoch und heilig versprechen, dass ich nicht davon sterben werde (schließlich hat man ja schon die schrecklichsten Dinge über Drogen gehört). Aber ich bin nicht gestorben, ich war hellwach und konnte länger tanzen als gewohnt. Es blieb dann vorerst bei ab und an einmal am Wochenende.
Bis ich ein paar Jahre später nach Berlin gezogen bin, weiter tanzen wollte, den Job und damit auch den Bekanntenkreis wechselte. Es blieb bei elektronischer Tanzmusik. Und irgendwann war Speed keine Droge mehr. Running Gag. Etwas schnelles nutzt man dann eben mal, um wieder auf Touren zu kommen, wenn beispielsweise der Alkohol überhand genommen hat oder man einfach müde wird. Ist dann eben so wie Kaffee trinken. Mal kurz frisch machen, damit man easy weiter machen kann. Rückblickend betrachtet ist das krasser Scheiß und eine verballerte Partylüge. Speed ist eine Droge. Ausrufezeichen!
Ich tanzte stundenlang. Ich habe die Leute nie verstanden, die im Club einfach nur chillen. Wenn ich mich nach mehreren Stunden hinsetzte hieß das: Game Over. Ausgetanzt. Ich kann keine Flasche mehr greifen und meine Gesichtsmuskulatur bringt kein müdes Lächeln mehr über die Lippen.
Ecstasy
Die erste halbe Pille schmiss ich zu Studienzeiten in der 'Tille'. Ich ging mit einer Kunststudentin auf Toilette und sie hielt mir eine halbe gelbe Pille hin. Auch sie musste mir damals versprechen, dass ich nicht davon sterben werde (schließlich hat man ja schon die schrecklichsten Dinge über Drogen gehört). Ich bin nicht gestorben, sondern war wie in Watte gepackt und wippte selig auf der Tanzfläche. Die bunten Pillen habe ich dann vorerst gelassen - die wurden mir erst ein paar Jahre später wieder angeboten.
Ein paar Jahre später bin ich dann nach Berlin gezogen. Ich wollte weiter tanzen, wechselte den Job und damit auch den Bekanntenkreis. Es blieb bei elektronischer Tanzmusik. Und irgendwann waren die bunten Pillen mein 'wochenendlicher' Begleiter. Wenn 'meine Leute' eine halbe hatten, war ich irgendwann schon bei einer ganzen. Ich wusste ja nie, was drin ist, also musste ich mich da auf die anderen verlassen. No riks, no fun! Macht ja schließlich der Großteil so im Club. Alle schweben auf Wolken und haben sich auf Tanzflächen so unendlich lieb. Das ist die zweite Partylüge: verballert kannst du nicht lieben und es hat dich auch niemand aufrichtig lieb. Du guckst schräg und fühlst nicht richtig. Ausrufezeichen!
Manchmal, wenn ich überdosiert war, musste ich sitzen (oder liegen) und starrte stundenlang an eine Wand. Die bewegte sich und unzählige Insekten bahnten sich ihre Wege durch Furchen, die leuchteten höllisch. Das war dann nicht mehr so lustig. Manchmal kamen mir Fratzen entgegen oder Menschen mit Tierköpfen, deren Gesichter so aussahen, als hätten sie gerade eine auf die Fresse bekommen.
Kokain
Keine Ahnung warum Leute auf dieses Zeug abfahren. Das wirkt nur eine halbe Stunde und ich bekomme höllische Kopfschmerzen davon. Jedem das seine.
Gras
Das Zeug konnte ich eigentlich auch noch nie richtig leiden. Ich kann es nämlich nicht leiden, wenn ich das Gefühl habe, den Verstand zu verlieren und keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können. Dann bekomme ich Angst.
Zu Studienzeiten hat mir eine Bekannte mal etwas in Silberpapier eingewickeltes mitgegeben. Ich weiß nicht mehr, warum ich das Zeug in meinem Zimmer hatte. Eine Trennung und Herzschmerz folgten und ich erinnerte mich an das Zeug. Da ich zu diesem Zeitpunkt weder Zigaretten drehen, noch einen Joint bauen konnte (das war mir immer zu viel Fummel arbeit) entschloss ich mich kurzerhand dazu, einen Kräutertee zuzubereiten. Irgendwo hatte ich mal gehört, dass das auch funktionieren soll. Ich trank das Zeug, nichts passierte und ich legte mich in mein Bett. Ein paar Stunden später wachte ich auf und hatte das Gefühl, ich sei verrückt. Ich lag in meinem Bett und wurde gefühlt lebendig begraben. Mein Puls ging überschnell und ich dachte, ich habe meinen Verstand verloren. Zum Glück war meine damalige Mitbewohnerin zu Hause. Ich klopfte mitten in der Nacht an ihre Zimmertür. Sie rief einen im Kiffen geübten Kollegen an, der ihr bestätigte, dass ich nicht verrückt, sondern einfach nur high sei. Dumm gelaufen.
Ab und an probierte ich es nochmal aus, empfand die Wirkung aber zum größten Teil immer nur schrecklich. In Paris verlief ich mich einmal in einer Metro - Station (obwohl ich dort täglich umsteigen musste) und dachte, ich finde nie wieder hinaus. Dann habe ich das mit dem Gras für's Erste gelassen.
Ein paar Jahre später bin ich dann nach Berlin gezogen, ich wollte weiter tanzen, wechselte den Job und damit auch den Bekanntenkreis. Es blieb bei elektronischer Tanzmusik und ich gab dem Gras eine erneute Chance. Damit kann man nämlich die Pillen verstärken. Nach Einwurf und kurz vor 30 Minuten danach, ziehst du an einem Joint und die Wolken werden viel flauschiger. Partylüge Nummer drei: es gibt keine flauschigen Wolken!
Sätze zerfetzten sich und setzten sich zu neuen Bausteinen zusammen. Die ergaben keinen Sinn aber wenn man sie wieder auseinander genommen hat, dann hat man 'Unendlich' verstanden. Ein Gedanke aus ein paar Sätzen zersetzte sich und wurde wieder neu zusammen gewürfelt. Gedankensalat - nun ergab alles einen Sinn. Es ist sinnlos.
Ketamin
Ketamin darfst du nicht nehmen! Das ist Teufelszeug! Menschen, die Ketamin nehmen, haben ihr Leben nicht mehr im Griff. Bis dann alle Ketamin genommen haben. Aber du, du darfst das nicht nehmen! Das ist Teufelszeug - danach hast du nämlich dein Leben nicht mehr im Griff - bis du es genommen hast.
Ich bin nach Berlin gezogen und wollte weiter tanzen, wechselte den Job und damit auch den Bekanntenkreis. Es blieb bei elektronischer Tanzmusik. Und irgendwann probierte ich Ketamin. No risk, no fun! Machen ja andere auch, dementsprechend kann es auch nicht so schlimm sein. Meine Arme und Beine fühlen sich wie Gummi an. Ich springe durch die Straßen und bekomme einen Lachflash. Was haben die denn? Ist doch voll lustig! Partylüge Nummer vier: Auch wenn auf Drogen vieles lustig ist, sind Drogen niemals lustig!
Dies soll der Horizonterweiterung dienen, um von der 'Wuschelwolke' runter zu kommen.
Im Berghain landete ich im K - hole . Das war dann überhaupt nicht mehr lustig, denn ich dachte, ich muss sterben oder vielleicht bin ich ja auch für ein paar Minuten gestorben - mit schlagendem Puls. In Zitrone beißen soll da helfen, das wusste in dem Moment nur keiner. Waren wohl alle zu drauf. Das passiert doch nur Menschen, die ihr Leben nicht mehr im Griff haben! Ich hatte mein Leben nicht mehr im Griff. Eine Überdosis später landete ich auf der Toilette und zog erneut eine Bahn. Das ist abgefuckter Shit. Jetzt kann ich endlich weiter tanzen. Bis ich nicht mehr konnte.
Emma
MDMA steht für die chirale chemische Verbindung 3,4 - Methylendioxy- N - methylamphetamin. Es gehört strukturell zur Gruppe der Methylendioxyamphetamine und ist insbesondere als weltweit verbreitete Partydroge bekannt.
Emma darf nicht fehlen, die dipped man üblicherweise. Mir ist Emma zum ersten Mal in Paris, gekleidet in einem Baggy, über den Weg gelaufen, danach glitzerte meine Welt mit bitterem Nachgeschmack.
Downer
Im ersten Moment glitzert alles noch so schön und dann musst du nach Hause. Die ersten paar Male ist noch nicht so viel passiert. Ich musste aber irgendwann darauf achten, dass ich nicht alleine nach Hause gehe, damit mir der Downer nicht vorschnell einen Schlag in mein Gesicht verpasst. Dann wurde ich traurig. Erst war da nur dieses dumpfe Gefühl der Leere und dann zuckte irgendwann mein gesamter Körper. Auf ein High folgt auch immer ein Low. Hell gibt es nämlich nicht ohne dunkel. (Das nennt man glaube ich >> das Gesetzt der Polaritäten <<) Dann bildeten sich allmählich Bläschen in meinem Mund. Die taten irgendwann ganz schön weh und am nächsten Tag konnte ich nur unter Schmerzen kauen. Meine Kiefermuskulatur war mitgenommen und schlucken brannte wie Hölle. Wollte ich mich hinlegen und die Augen schließen, war das High noch da, aber der Downer meldete sich lautstark zu Wort. Mein Körper zuckte alle paar Sekunden und ich hatte das Gefühl, ich müsste heulen. Aber es ging nicht, weil ich noch high war. Also zuckte mein Körper weiter. Ich hasste es. Und später kamen Mickey Mouse Stimmen dazu. Ich lag in meinem Bett und starrte an die Wand. Neben mir stand ein Wäscheständer und plötzlich fingen Stimmen an zu reden. Verzerrt und ohne Punkt und Komma und ich konnte kein Wort verstehen. Irgendwann ging dies vorüber. Ich schloss meine Augen und öffnete diese dann wieder. Diesmal starrte ich meinen Schrank an und plötzlich zog es mich von einem Moment auf den nächsten immer und immer wieder durch mein Bett. Bin ich wach oder schlafe ich? Ist das jetzt real? Das kann doch nicht sein?! Ich bin wach, oder? Ich schloss erneut die Augen, um sie dann wieder zu öffnen. Das Spiel begann erneut. Ich war immer noch auf Sendung.
An Montagen schleppte ich mich dann auf Arbeit. Am Mittwoch ging es mir dann besser und am Freitag ging der Spaß von Vorne los.
Warum ich auch von harten drogen abhängig bin:
Ich hatte nie hartes Zeug zu Hause. Ich hatte keinen Dealer, bei dem ich eingekauft habe. Üblicherweise machte ich mit, ließ mir die Drogen rationieren und portionieren. Ich wusste, dass, falls ich das Zeug zu Hause haben würde, dann würde ich es nehmen. Meine Wohnung war clean. Dennoch bin ich auch von dem harten Zeug abhängig.
Zu Beginn meiner Therapie war ich der Meinung, dass nur der Alk mein Problem sei. Das meine Beziehung mit ihm aus den Fugen geraten ist und das müsste ich jetzt nun wieder in den Griff bekommen. Da ich Partydrogen nur am Wochenende und auf Partys konsumierte, hatte ich dementsprechend auch kein Problem mit diesen. Ich war tatsächlich der Überzeugung, dass ich eventuell irgendwann noch einmal probieren könnte. Dieser Zahn musste mir schmerzhaft gezogen werden, sonst wird das nichts! Nur weil ich nichts zu Hause habe und ich mir das Zeug zuteilen lasse, heißt das noch lange nicht, dass ich kein Problem damit habe.
- Freunde rationieren Freunden keine Drogen. Freunde sagen dir, dass sie sich Sorgen machen und versuchen mit dir Wege zu finden, den Scheiß endlich zu lassen.
- Sich Drogen rationieren zu lassen ist hochgradig manipulativ. Das bedeutet, Verantwortung abgeben, getreu nach dem Motto: "Wenn die mir das Zeug geben, sind die auch daran Schuld wenn es schief geht und dann haben die auch das Problem und ich bin fein raus." (Partylüge Nummer fünf).
- Nur weil ich harte Drogen auch nur am Wochenende konsumiere und das hunderte von anderen Menschen auch so machen, heißt das noch lange nicht, dass ich kein Problem damit habe!
Warum?
Warum nehmen wir Drogen? Schmecken die so gut? Geht es um den Genuss? Mit einem Augenzwinkern können wir vielleicht beim Alkohol noch argumentieren, dass wir nach dem einen Gläschen aufhören können, weil es einzig und allein um den Geschmack geht. Das ist nachvollziehbar und manch einer von uns kann das auch. Alles darüber hinaus soll uns doch in Watte packen oder ordentlich scheppern. Oder etwa nicht? Speed schmeckt nicht, Gras auch nicht, Ketamin erst recht nicht, Koks genauso wenig und obwohl ich es noch nie ausprobiert habe, bezweifle ich, dass beispielsweise Heroin richtig lecker ist. Es muss knallen und zwar richtig - wir haben einen Nutzen davon, denn die Wirkung zählt und das ist das Gefährliche.
Manchmal führe ich Gespräche und mein Gegenüber sagt: "Aber ich nehme ja Drogen ganz bewusst - zur Bewusstseinserweiterung." Denken wir einmal darüber nach: wenn ich bewusst bin, dann bin ich ganz bewusst in meinem Körper, nehme alles ganz bewusst war, treffe bewusste Entscheidungen und bin im Hier und Jetzt. Ich bin im Moment - ich nehme wahr, was ist. Meiner Meinung nach bedingt bewusstes SEIN und Bewusstsein meine Freiheit und dadurch habe ich immer die Wahl. Und wenn ich ganz bewusst in meinem Körper, im Moment und im Hier und Jetzt bin und es mir doch eigentlich gut geht: Warum sollte ich dann Drogen wählen?
PS.: Das Argument mit der elektronischen Tanzmusik und dem High hinkt. Auch wenn ich dann Party Pooper bin. Findest du die Musik und/oder die Party nüchtern scheiße, dann ist die Musik und/oder die Party einfach nur scheiße. Sorry not sorry!
photo credits: Sharon McCutcheon; Gabriele Diwald // unspalsh
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