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Nüchtern durch den Dezember

Gibt es einen perfekten Zeitpunkt, um mit dem Trinken/Konsumieren aufzuhören? Gibt es einen Moment, einen Tag, einen Monat, der perfekt für dieses Vorhaben ist?

Die Antwort ist: Nein.

Wann ist der perfekte Zeitpunkt, um mit dem Trinken/Konsumieren aufzuhören?

Die Antwort ist: Jetzt.

 

Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht. Der Perfekte Zeitpunkt beginnt immer mit einer Entscheidung, die Du triffst, und dem Gefühl, dass es so, wie es jetzt ist, nicht weiter gehen kann. Und dann klammerst Du Dich an diese Entscheidung, obwohl Du noch keinen blassen Schlimmer davon hast, wie Du das jemals schaffen sollst. Du musst es nämlich zu Beginn noch nicht wissen, Du musst es einfach machen und Dich immer und immer wieder an diese Entscheidung erinnern. Auch wenn Affe und Hexe vorbeikommen, musst Du an dieser Entscheidung festhalten und dir diese vor Augen führen. Wie ein Film, der permanent im Hintergrund läuft.

Dezember

Der Dezember war für mich früher immer der beste Monat des ganzen Jahres. Geburtstage, Feiertage, Weihnachten, Silvester und noch mehr Geburtstage. Nicht zu vergessen den Glühwein, den Sekt, den Schnaps, die fetten Partys und noch mehr trinken. Im Dezember fällt der eigene Konsum nicht mal einem selbst wirklich auf. Das ist der Monat, in dem alles geht. Den Dezember über noch einmal richtig Gas geben, bis man sich Anfang Januar für einen verkaterten Tag an seine neuen Vorsätze klammert.

"nächstes jahr wird alles anders, nächstes jahr trinke ich weniger."

Dieser Vorsatz hielt bei mir so ungefähr bis zum Abend des 1. Januar, weil dann der Kater einigermaßen überstanden war und das Nichttrinken dann irgendwie doch viel zu langweilig, oder zäh erschien. Und plötzlich wurden alle guten Vorsätze wieder über Bord geworfen. 

Gute Vorsätze müssen nicht auf den Januar warten. Gute Vorsätze beginnen jetzt, Hier & Heute. Das macht das Ganze irgendwie schwerer, aber irgendwie auch nicht, weil Du auf nichts warten musst und dich demnach auch selbst nicht länger verarscht.

 

Der Dezember ist für viele von uns der anstrengendste Monat. Vor allem, wenn wir nüchtern sind, oder gerade beschließen nüchtern zu leben. Wir verbinden den Dezember so sehr mit dem Trinken, sodass es schier unmöglich scheint den Monat vom Konsum zu entkoppeln. Aber es ist möglich und auch der Dezember ist ein Monat, in dem Du dich dazu entscheiden kannst, mit dem Trinken/Konsumieren aufhören. Denn Du musst das nicht, Du musst nicht trinken und Du musst nicht ballern, auch wenn alle Welt um dich herum es dennoch tun sollte. Es ist deine Entscheidung - unabhängig von einem Monat und unabhängig irgendeiner Tradition.

 

Nichtsdestotrotz ist für viele von uns der Dezember mit Traditionen und mit Alkohol verbunden. Als ich noch getrunken habe, konnte ich mir schwer vorstellen, wie ich die Feiertage jemals ohne einen Schluck Alkohol überstehen sollte, aber es ist möglich. Vor allem im ersten Jahr deiner Nüchternheit wirst du viele Dinge zum ersten mal nüchtern machen, so auch den Dezember überstehen. Und da diese Zeit besinnliche zeit im Jahr für einige von uns mit besonderen Herausforderungen, welche die eigene Nüchternheit angeht, verbunden ist, gibt es im Folgenden ein paar Tipps, wie du den Dezember trotz allem Trubel nüchtern überstehen wirst.

7 Tipps um nüchtern durch den Dezember zu kommen:

1. Triff eine entscheidung

Das Wichtigste für mich ist (unabhängig von irgendwelchen Feiertagen) ist es, eine Entscheidung getroffen zu haben. Du wirst nicht nüchtern leben, wenn du dich nicht zunächst einmal für die Nüchternheit entscheidest. Ohne Wenn und Aber. Und eine Entscheidung zu treffen heißt im selben Zuge auch, sich gegen etwas anderes zu entscheiden. Entscheidest du dich also für die Nüchternheit, entscheidest du dich im selben Moment auch gegen das Trinke/Konsumieren. Deine Entscheidung sollte klar sein. Wenn Du permanent hoffst, dass Du es schaffst und Dir immer und immer wieder die Frage durch den Kopf kreisen lässt, ob du den Dezember ohne Alkohol und ohne Drogen verbringen kannst, dann lässt Du insgeheim ein Schlupfloch offen. Du nimmt deine Entscheidung und letztendlich dich selbst nicht ernst genug. Wenn Du darauf hofft, dass du nicht trinken beziehungsweise nicht konsumieren wirst, dann bedeutet dies auch irgendwie, dass Du die Entscheidung von Dir fern hältst, dass es quasi an irgendjemandem, oder irgendetwas anderem liegt, diese Entscheidung zu treffen. Aber Du musst es tun. Du musst die Entscheidung für Dich,  dein Leben und deine Nüchternheit treffen. Die Entscheidung muss feststehen und daran gibt es nichts mehr zu rütteln. Und das wird es Dir im Endeffekt leichter machen, dich gegen Alkohol und Drogen zu entscheiden, weil die Entscheidung längt gefallen ist.

2. prio nummer 1

Wie in meinem Blogbeitrag "Anleitung zum Nüchternen"  beschrieben, geht darum, dass du dich, deine Bedürfnisse und deine Nüchternheit ernst nimmst und auf Platz 1 setzt. Egal was kommen sollte, Du und deine Nüchternheit, ihr seid Prio Nummer 1. Vor allem der erste nüchterne Dezember kann eine besondere Herausforderung darstellen, umso wichtiger ist es, dass Du dich mit aller Sorgfalt, Achtsamkeit und Selbstliebe um dich selbst kümmerst. Und sei es, dass Du dich behandelst, wie ein neugeborenes Baby und alles daransetzt, dass es dir gut geht, du geborgen bist und Du und deine Nüchternheit wohl behütet aufwachsen

könnt.

 

Vor allem über die Weihnachtsfeiertage kann es sehr stressig werden, umso wichtiger ist es, dass du Pausen einlegst, wenn es dir zu viel wird. Nimm Dir ganz bewusst Auszeiten, trinke einen Tee, nimm ein Bad, geh im Wald spazieren, atme tief durch, meditiere, praktiziere Yoga, lies ein Buch - tu alles nötige, was dir guttut, dich entspannt und bei dir selbst ankommen lässt.

3. warum bist du nüchtern?

Eigentlich ist das der ausschlaggebende Punkt. Warum willst Du nüchtern sein und warum (auch) im Dezember? Wenn ich mich an all die Jahre erinnere, in denen ich (und vor allem auch im Dezember) getrunken habe, dann muss ich mir eingestehen, dass ich unglücklich war. Ich musste beziehungsweise wollte mich betäuben, damit ich nicht mehr ganz da bin und meine Gefühle aushalten muss. Dementsprechend war ich den Dezember über zwar betrunken, aber ich war nicht ich selbst. Ich war nicht wirklich präsent und konnte dementsprechend die Zeit mit meiner Familie auch nicht wirklich genießen.

Heute, nüchtern, weiß ich, warum ich damals nicht da sein wollte und ich weiß, warum ich mich heute für meine Nüchternheit entschieden habe und immer und immer wieder entscheide. Mein nüchternes Ich würde ich jetzt in diesem Moment um nichts in der Welt mit meinem betrunkenen Ich austauschen wollen. Das Leben ist das Leben und es ist nicht nur rosarot und leicht, sondern auch stressig, manchmal auch einsam und oftmals auch anstrengend, aber mein "Warum" ist viel, viel größer, als die betrunkene, verschwommene, aufgedunsene Wolke von damals. Ich weiß, dass ich nüchtern klarer bin. Ich weiß, dass ich gelassener bin. Ich weiß, dass ich nüchtern besser mit Stress umgehen kann und keine toxischen Substanzen brauche, um mich am Ende noch schlechter zu fühlen und ich weiß, dass der Dezember, die Feiertage, Weihnachten und Silvester nüchtern einfach viel schöner sind, weil ich mich heute um mich selbst kümmern kann.

 

Letztendlich geht es darum, dass Du dir immer wieder vor Augen führst, weswegen Du nüchtern sein möchtest (auch im Dezember). Unabhängig von Traditionen, Feierlichkeiten und Weihnachtsstress. Warum möchtest Du nüchtern sein?

4. du musst gar nichts!

Der Dezember ist gekoppelt an Traditionen, an "Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt", an "Eierpunsch unterm Weihnachtsbaum", an "Weihnachtsplätzchen mit Rumaroma", an "Neujahrsküsse mit Schnapsfahne", an "ausgelassene Weihnachtsfeiern mit betrunkenen Kollegen", an "fettigen Gänsebraten in Rotweinsoße" (isst man das so?). Weißt Du was? Vergiss das alles! Du musst das nämlich alles nicht machen. Auch wenn Du es vorher so gemacht hast, musst Du es heute nicht mehr so machen - Du musst nämlich gar nichts. Du kannst deinen Dezember so gestalten, wie Du das möchtest. Du musst nicht auf den Weihnachtsmarkt und den Geruch von Glühwein ertragen, nur weil es schon immer so war. Du musst bei Familienfesten auch nicht aushalten, dass alle um dich herum Alkohol trinken - Du darfst nämlich auch gehen. Du darfst Dich um dich selbst sorgen. Du darfst zu Hause bleiben, Kuchen essen und Film schauen. Du darfst das alles, denn es ist dein Leben. Und dein Leben darfst Du so gestalten, wie Du das möchtest - auch und grade im Dezember. Der Dezember sollte doch schließlich besinnlich sein - also besinne dich auf dich selbst. Was ist Dir wichtig? Was tut dir gut? Wie kannst Du deinen Dezember so gestalten, dass es der beste nüchterne Dezember ist, den Du jemals hattest? Stichwort: Kreativität!

5. katerfrei

Das Gute an nüchternen Tagen, an nüchternen Monaten und an nüchternen Feiertagen ist, dass wir sie nüchtern besser ertragen. Mit klaren Kopf lebt es sich nämlich tatsächlich leichter. Ich liebe die nüchternen Morgen. Ich liebe es mit klarem Kopf aufzuwachen und sofort zu wissen wer ich bin, wo ich bin, was ich will, wohin ich will und warum ich nüchtern bin.

 

Falls es im Dezember mit deiner Nüchternheit schwierig werden sollte, dann besinne dich auf die positiven Dinge deiner Nüchternheit. Stell dir vor, wie Du am nächsten Morgen frisch und umverkatert aufstehen wirst - ohne schlechtem Gewissen, ohne Schuldgefühle, ohne Filmriss, ohne Pelz auf der Zunge. Halte dich an diesem Gedanken fest, falls der Suchtdruck sich melden sollte. Suhle dich nicht im Druck, sondern führe Dir bewusst vor Augen, wozu Du am nächsten Tag alles in der Lage sein wirst und wie gut und gestärkt Du aus der Situation herausgehen wirst. Ein katerfreier Morgen ist schließlich unbezahlbar.

6. was hat dir bis hierher geholfen?

Und was hilft Dir im Dezember. Deine Tipps, Tricks und Strategien die Dir und deiner Nüchternheit bis hierher geholfen haben, werde dir auch im Dezember und über die Feiertage helfen. Falls Du noch keine Idee haben solltest, dann findest Du in diesem Blogbeitrag 12 Tipps bei akutem Suchtdruck.

  • Atmen/Meditation
  • Yoga
  • Ätherische Öle
  • Zitronenwasser (bis der Bauch voll ist)
  • Ablenkung (Spaziergang durch den Wald, Aufräumen, mit Freunden reden, ins Bett legen und Schnulzen schauen, Zartbitterschokolade)
  • "Nein" sagen und für dich und deine Nüchternheit entscheiden
  • Weinen, wenn Dir danach ist und alles irgendwie kacke erscheint (hilft mir persönlich ungemein)
  • auf die positiven Dinge fokussieren
  • Dankbarkeit
  • Schreiben
  • ein Meeting besuchen (AA, Online - Community, oder eine andere Selbsthilfegruppe deiner Wahl)

7. akzeptanz

Familie kann anstrengend sein, vor allem und grade über die Weihnachtsfeiertage. Das ist nun einmal so und daran wirst Du auch nicht viel ändern können. Du kannst deine Umfeld nicht ändern, Du kannst nur ändern, wie Du auf dein Umfeld reagierst. Versuche bei Dir selbst zu bleiben und achtsam mit dir umzugehen. Falls Du dich in einer unangenehmen Diskussion wiederfinden solltest, dann versuche deinen Standpunkt klar zu machen, aber auch nur in soweit, wie es für Dich sinnvoll ist. 

Du musst auch nicht erklären, warum Du keinen Alkohol trinkst, Du musst deine Entscheidung auch nicht rechtfertigen. Das wichtigste ist, dass Du zu deiner Entscheidung stehst und ein: "Alkohol tut nichts mehr für mich." reicht vollkommen als Antwort aus, falls dich jemand danach fragen sollte. 

Was ich Dir hiermit auf den Weg geben kann ist, dass es einfacher wird. Der erste nüchterne Dezember, die ersten nüchternen Weihnachten, das erste nüchterne Silvester mögen noch sehr viel Kraft kosten und anstrengend sein. Es wird einfacher. Von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr und im Endeffekt kannst Du es auch so sehen, dass der Dezember ein Monat ist, wie jeder andere auch. Der heutige Adventssonntag ist eigentlich wie jeder Sonntag, an dem Du dich für deine Nüchternheit entschieden kannst. So ist es auch der 24. Tag im Monat Dezember und auch der 1.1. eines jeden Jahres. Alles beginnt in deinem Kopf, mit einem Gedanken und daraus folgt eine klare Entscheidung.

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