· 

Geschüttelt. Nicht gerührt.

Das Wort Exfreund beschreibt nicht ansatzweise den Menschen, der dahintersteckt. Ex klingt so weit weg. So, als wäre er nie da gewesen, oder als hätte man nie etwas mit diesem Menschen geteilt. Als wäre er nie wichtig gewesen. Als hätte er mir ein Stück seiner eigenen Haut herausgeschnitten, das Loch ist narbenlos verwachsen und der andere Teil lebt unabhängig von mir selbst und weiß gar nicht mehr, dass er aus mir geboren wurde.
Die Vergangenheit fühlt sich manchmal an wie Lieder, die ich aneinanderreihe. Die so viel mehr sagen, als meine Worte es tun könnten. Die Emotionen wecken. Meine Vergangenheit ist eine lebenslange Playlist. Meine vergangenen Partner kann ich in Songs aneinanderreihen.

Der Sommelier (The dark side of my room)
Der Franzose (La Mort dans la Pinède)

Porn (Psychobitch)

Das Universum (One of us)

Der Letzte ist der Vorletzte. Das Universum habe ich nie gelöscht. Sonst habe ich immer alles gelöscht. Fotos, Nummern, Briefe, Erinnerungen, die kleinsten Schnipsel meiner Vergangenheit. Manchmal tat es mir kurzfristig leid und ich hing Hals über Kopf in einer schwarzen Tonne in Kreuzberg. Da es schon dunkel war, machte mir eine Nachbarin Licht. Sie schaute mich mit freundlichen Augen an und verstand wohl, was ich da im Müll zu suchen hatte.

 

Das Universum durfte bleiben. Das wollte ich nicht löschen. Das wird kein Liebesbrief, weil ich nicht beschreiben kann, was das ist. Ich kann diese Verbindung nicht beschreiben. Es ist wie als würde mein Kopf im Paralleluniversum hängen. Mein Herz ist außer mir und leuchtet ganz hell und ruhig, ohne, dass ich rosarote Wolken sehe. Ich bin nicht verliebt, zumindest heute nicht mehr. 
Das Alles ist nie in meinen Bauch gerutscht. Das Ding war und ist nicht von dieser Welt. 
Oftmals habe ich es versucht auf die Drogen zu schieben. Die waren dann meine Begründung für dieses Gefühl, weil ich mit seinem Geruch in meiner Nase stundenlang über Tanzflächen schwebte. So ein Zwischengeruch von Ingwer und Gewürzen. Geschmacklich kann man es sich ungefähr so vorstellen wie Ginger Ale, nur in bitter. 

 

Als wir uns kennenlernen, wollte ich dich nicht kennenlernen. Obwohl ich mir so etwas schon irgendwie vom Universum gewünscht habe, aber vielleicht habe ich es damals nicht ganz so ernst gemeint, weil ich es mir nicht aus der Fülle heraus wünschte. Ich wünschte es mir aus meiner gebrochenen Leere heraus und wollte wieder auf Wolken schweben. So richtig rosarot. Ich wollte wieder so viel fühlen, dass ich fast daran zerbreche. Vielleicht wollte ich insgeheim endlich meinen Verstand verlieren.

"Willst du mit mir tanzen?"

Ich starre dich verwundert an, vielleicht huscht mir in dem Moment auch ein Lächeln über meine Lippen, soweit ich damals noch Lächeln konnte. Als wir uns kennenlernten, war ich noch nicht so tief gerutscht. Also lächle ich Dich an und antworte: "Aber wir tanzen doch schon die ganze Zeit miteinander."  Zumindest tanzen wir nebeneinander. Jetzt, wo ich Dich schon ein paar Jahre kenne, bin ich sehr geschmeichelt darüber, dass Du den Mut aufgebracht hast, mir diese Frage zu stellen, ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass Du das öfter tust.

Dieses Oktoberwochenende sollte magisch gewesen sein und wird uns noch Ewigkeiten in unseren Knochen hängen. Völlig unabgesprochen finden sich Menschenmassen zusammen. Im Rausch sind wir uns begegnet und im Rausch schweben wir auf Wolken und haben uns lieb. Ich weiß nicht, was sich das Universum in diesem Moment dachte. Als ich traurig war dachte ich: nicht viel. Heute denke ich, dass es alles schon wusste. Ich denke, dass das alles so sein sollte. Das war jedoch ganz schön harter Shit.

 

Du bist der Einzige, den ich nicht gelöscht habe, der Einzige, bei dem ich verstehen wollte, warum das alles Größer ist, als ich selbst. Damals hätte man mir vorwerfen können, dass ich zu viel hineininterpretiere, aber wenn mein Kopf außerhalb von mir in den Wolken hängt und ich mich neben dir in Entspannung auflöse, dann kann ich mir das nicht einbilden.

 

Es gibt keinen Mann, mit dem ich lieber tanze und ich wage es zu bezweifeln, dass da irgendwann einmal jemand an Dich heranreichen wird. Deine Playlist hat viele Lieder und alle gehen Vorwärts. Keine Hi - Hats, sonder Deep Shit. 
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Du so klar und durchsichtig bist, dass Du mir durch beide meiner Hände fällst. Du bist der einzige Mensch, der rechts und links neben mir laufen (noch besser tanzen) kann, ohne, dass es mich aus meiner Bahn wirft. Wenn Du in meiner Nähe bist, dann habe ich keinen Fehler im System, obwohl ich oftmals das Gefühl habe, ich muss alles zusammenhalten, weil wir sonst auseinander brechen würden.

Bestimmung

Du bist der zweite Mann, bei dem ich diesen Satz mehrmals höre. Warum sagen Menschen: "Ihr gehört zusammen"?. Gehören zwei Menschen wirklich zusammen und wenn ja, woran merkt man das? Einige würden sicherlich sagen: "Man weiß es einfach." 
Ich glaube unser Deep Shit ging tiefer als das. Du meinst: "Heute würden wir viel besser zusammen passen." Ich meine: "Wir haben vorher genauso gut zusammengepasst, wie heute." Früher waren wir irgendwie gleich kaputt und heute haben wir uns ähnlich wieder ganz gemacht.

 

Wenn beide "High" sind, dann ist Beziehung so verschwommen, weil sich jeder in seiner eigenen Illusion bewegt und mit dem Finger auf den Partner zeigt. Vielleicht finden sich zwei Menschen immer so zusammen. Wenn wir uns Haut an Haut aneinander reiben, mag das wundervoll sein, aber was ist, wenn wir uns gegenseitig die Bäuche aufschlitzen um zu sehen, was darin verborgen ist. Dann wird es mitunter eine blutige Angelegenheit.

 

Mit Dir tanze ich im Takt und ich habe das Gefühl, mein Herz springt mir vor Glück in meine Kehle und ich schlucke es schnell wieder hinunter, damit Dasselbe noch einmal passieren kann. Das ist wie die Entdeckung eines großartigen Songs. Du hörst ihn immer und immer wieder und Du weißt nicht, ob Du heulen oder schreien sollst. Das Lied geht so tief, dass Du selbst nicht mehr Du selbst sein kannst und sich Gänsehaut mit jedem Wippen auf deiner Haut ausbreitet. Mit Dir tanze ich am liebsten. Ich glaube, da kommt kein anderer Mensch mehr ran. Es ist schon etwas länger her, aber ich weiß, dass ich mit Dir am liebsten tanze.

Wenn wir kaputt gehen, dann niemals wegen dem anderen. Wären wir ganz gewesen - jeder für sich selbst - dann hätten wir nicht kaputt gehen können. Ich verstehe nicht, was Du hören willst und anders herum genauso wenig. 

Wenn Du mir heute deine Version der Dinge erzählst, dann frage ich mich, ob ich vor über zwei Jahren eigentlich mit bei unserer Beziehung dabei war. Waren wir das wirklich? Wer waren wir? Aber gut ist zu wissen, dass wir heute viel, viel mehr wissen, wer wir sind.

Es war nicht die Illusion, die uns zusammengebracht hat. Ich glaube, es war das Universum. Und das hier ist wirklich kein Liebesbrief, weil ich Dich nicht beschreiben könnte. Ich kann auch nicht beschreiben, wer ich mit Dir bin. Ich fühle mich wie eine Kugel aus buntem Glas, wenn ich mit Dir zusammen bin. Und manchmal habe ich Angst, dass ich wieder zerbrechen könnte.

 

Drogen können Menschen nicht wahrhaftig zusammen bringen. Ich glaube, da gehört viel, viel mehr dazu. Wenn es also etwas Größeres war, was uns zusammen gebracht hat, was wollte es uns sagen? 
Wenn beide high sind, dann ist die Beziehung eine Illusion. Eine kann den anderen nicht retten. Aber es kann so laut knallen, dass beide zerplatzen und vor den eigenen Glassplittern stehen. Ich wollte, dass Du mein Retter bist und früher habe ich nicht verstanden, warum Du diese Aufgabe nicht für mich übernehmen möchtest. Bist du zu schwach? Bist Du zu egoistisch? Wer bist Du eigentlich? Und wer bin ich?

 

Verschwitzt und mit zitterndem Köper liege ich in deinem Bett und verstehe meine Welt nicht mehr. Warum warst Du soeben noch da und hattest so eine bedeutungsvolle Rolle und einen Atemzug später möchtest Du diese Rolle nicht mehr übernehmen. Was möchtest Du denn dann?

Freiheit

Du möchtest frei sein. Du möchtest Freiheit. Du möchtest Dinge machen, auf die Du Lust hast. Du möchtest nicht mein Retter sein, weil das viel zu viel Verantwortung ist. Und wenn ich heute darüber nachdenke, dann kann ich Dich verstehen, denn ich möchte diese Verantwortung auch nicht für einen anderen Menschen übernehmen.

Ich zerbreche, als wir gehen. Ich sage es immer und immer wieder. Ich sage: "Wenn mir das noch einmal passieren sollte, dann könnte ich sterben." Das kann ich niemandem antun. Doch! Kann ich. Als wir gehen und ich verschwitzt und zitternd in meinem Bett liege, spüre ich so viel, dass ich nichts mehr spüren kann und ich muss sterben. Ich musste sterben und das ohne Dich. Ich musste für mich alleine sterben, ohne Dich. Du konntest mich da nicht retten. Musik konnte es auch nicht. Ich musste mich so lange selbst kaputt machen, bis ich absolut leer war und keine Lust mehr darauf hatte. Ich konnte nicht verstehen, warum Du plötzlich nicht mehr da warst und mir etwas von Gott erzählen wolltest, schließlich warst Du mein Universum - Du bist mir nur leider zu Kopf gestiegen und machmal habe ich das Universum dafür gehasst.

 

Ich habe es dafür gehasst, dass es mir Dich geschenkt hat, weil ich dachte, ich habe etwas Besseres verdient. Ich dachte, es hat mich nicht richtig verstanden, oder überhört. 
Ich dachte, Du hast mich nicht richtig verstanden, oder überhört.

Und dann musste Alles plötzlich ganz leise sein. Es musste ganz leise um mich herum werden, damit ich mich wieder atmen hören kann. Damit ich wieder lerne, auf meinen eigenen Beinen zu laufen. Du kannst mir nicht immer den Weg frei halten, weil ich drüber bin. Ich darf mich nicht immer nur auf deinen Takt verlassen und in der Menschenmenge nach deiner Hand suchen. Ich musste mir mein Herz brechen und es in mein Kissen spucken - ohne Dich. 

 

Und dann vergehen Tage, Wochen, Monate. Ich laufe wie auf Eierschalen und habe keinen Plan von mir. Ich laufe wie auf Eierschalen und Du hast keinen Plan von mir. Ich bin planlos und verstehe nicht, warum Du jemals in meinem Leben warst, weil ich immer dachte, dass ich in deinen Augen und in jedem deiner Tanzschritte, das Universum sehen kann. Und irgendwann kam der Tag, an dem konnte ich Dich gehen lassen. Ich habe meine Augen geschlossen, so, wie ich es mir selbst beigebracht habe. Wir standen am Schlesischen Tor und ich habe Dich angeschaut und Dir gesagt, dass es mir weh getan hat, dass ich es nicht verstanden habe, aber dass ich dich gehen lasse, weil ich frei sein möchte und weil ich möchte, dass Du frei bist. Und damit konnte ich gut leben.

 

Irgendwann stand ich am Bahngleis am Hauptbahnhof. Ich weiß nicht, was das war. Ich weiß nicht, woher diese Stimme kam. Es durchfuhr mich, wie ein Hauch von "Jetzt" und meine Armhaare stellten sich auf. Die Stimme hat gesagt, ich soll Dir schreiben. Ich hatte keine Ahnung warum, aber nach über einem Jahr sollte ich Dir schreiben. Und ich schrieb und mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich puzzelte die Worte zusammen und mein Herz schlug weiter und als Du mir antwortest, musste ich weinen, weil ich in dem Moment wusste, dass ich mir das alles nicht eingebildet habe. Ich wusste, dass Du keine Illusion zertanzter Clubnächte warst. Ich wusste, dass ich trotz "High" real war. Ich wusste, dass Du und Ich auch vorher existiert haben und immer weiter existieren werden. Das hier ist kein Liebesbrief, weil nur Musik annähernd ausdrücken konnte, was für ein Mensch Du für mich bist. Du bist der einzige Menschen, mit dem ich tanzen gehen möchte. Du bist der einzige Mensch, mit dem ich mich nüchtern in einen Club trauen würde und dabei vermutlich auch noch Spaß haben würde. Du bist der einzige Mann, dessen Tanzschritte ich vermisse. Und wenn Du mich heute fragen würdest, ob ich mit Dir tanzen möchte, dann würde ich sagen: "Wir tanzen doch schon die ganze Zeit miteinander." 

photo credits: Mia Harvey; Pim Myten; Chuttersnap // unsplash
videos: YouTube

Kommentar schreiben

Kommentare: 0