Wenn man das sinkende Schiff verlässt
Katie und Seth sind Geschwister. Sie lebt ein nach außen hin normales Leben, er kämpft um seins, denn Seth ist drogensüchtig.
Katie gibt sich die größte Mühe all ihre sozialen Rollen zu erfüllen, brave Tochter, liebende Partnerin und verständnisvolle Freundin. Sie fügt sich still den Launen und teilweise sehr nervigen Eigenarten ihrer Mitmenschen, doch man spürt den inneren Druck, der in ihr wächst. Krampfhaft versucht Katie die Kontrolle zu behalten sowie alles und jeden zu retten. Insbesondere Seth, der einen schweren Rückfall erleidet.
Der Film ist ein kurzer Einblick in einen Tag und eine Nacht von Katies Leben. Eine Art seltsam stilles Beobachten einer Schwester, die in der Coabhängigkeit zu ihrem Bruder die Kontrolle verliert. Dabei wird nicht geschrien, keine Emotionen werden dramatisch entladen, trotzdem ist die Stimmung sehr dicht und voller Schmerz.
Eine seltsam zarte und poetische Kapitulation. Wovor? Der Sucht, der Verantwortung oder der eigenen Schuld? Vielleicht auch nur vor dem Glauben, den einen Menschen retten zu können, den man am meisten liebt.
Fazit: Tolle Schauspieler, schwieriges Thema, ästhetische Bilder!
Lieblingszitat: "Kaum bist du da, seh ich nur noch dich."
Text: Luana Juliano // Instagram: luana_lucia_7
Photo credits: Georgia Vagim // Unsplash
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Tanja (Samstag, 13 Juni 2020 08:05)
Bei mir war es nicht mein Bruder, sondern mein Mann. Und nicht Heroin, sondern Alkohol und Kokain, auch intravenös. Und keine Tochter, sondern ein Sohn. Ich habe mich vor einem Jahr nach langer Zeit des Kämpfens für die Familie getrennt und aus meiner Co Abhängigkeit befreit. Das Wort habe ich übrigens gehasst, hat mich aggro gemacht, solange ich noch in der Beziehung war. Jetzt im Nachhinein ist es ein Begriff für mich, der vieles zusammenfasst, was schwer zu erklären zu verstehen und in Worte zu fassen ist.
Unter die Haut ist mir der Film gegangen. Die Szenen, in denen sich der Ton verändert, man das Wasser hört und trotzdem den Rest auch, sogar erstaunlich klar, weil ich ja funktionieren musste. Immer alles kontrollieren musste, für mich, für alle. Schwer zu beschreiben. Ich habe mich tatsächlich auch gefühlt, als ob ich unter Wasser bin und keine Luft bekomme und immer wenn ich wieder aufgetaucht bin und Luft geschnappt habe oder atmen wollte, kam die nächste Welle. So bin ich über Jahre nicht zum denken und handeln gekommen.
Jetzt geht es mir gut. Ich habe wieder ein Leben, mein Leben. Mein Sohn und ich können Freunde einladen und es wird sicher gut und lustig.
Ich kann wieder schlafen und ich denke mehr über mein Leben nach, als über das von jemandem anderen.
Danke für den Filmtipp. Ich werde ihn weiter geben an meine Familie und Freunde.